Die Liebe zum Schrott und andere Leidenschaften (2003) von Bernhard Wutka

15. November 2015, 23:00 Uhr - 22:59 Uhr

Alle unsere Träume: Die Dokumentarfilme

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Im Leipziger Herbst zwischen Angst und Euphorie. Die Träume und verlorenen Illusionen von Leipziger Straßenkehrern, Potsdamer Abiturienten und märkischen Ziegelbrennern. Neue bunte Wirklichkeit rund um die Eisenbahnstraße. Dokumentarfilme fangen den Umbruch und seine Folgen in Leipzig ein.

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Donnerstag, 19.11., 20 Uhr

Die Liebe zum Schrott und andere Leidenschaften (2003) von Bernhard Wutka

anschließend Filmgespräch mit Bernhard Wutka, Moderation Andreas Kötzing

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12 Jahre nach der Wende. Hat das goldene Zeitalter im Osten angefangen? Viele sind gen Westen gezogen. Von denen, die geblieben sind, haben einige ihr Glück gemacht, viele jedoch auch nicht. Diese Trennung findet meist auch in den Städten statt. So sind es dann ganz bestimmte Stadtteile, in denen sich die Verstoßenen der Wende und der Gesellschaft zurückgezogen haben. In den Städten haben sie den Ruf der Problemstadtteile, in denen sich Arbeitlosigkeit, Kriminalität und Rechtsradikalität breit machen. Stadtteile, die von der Öffentlichkeit gerne gemieden oder verleugnet werden. Es seien die Viertel der Billigläden, der An- und Verkäufe und einem großen Anteil an ausländischen Bewohnern. Doch kann man diese Viertel so pauschalisieren? Haben nicht gerade diese Viertel auch die Chancen auf einen besseren alternativen Neuanfang? Kann sich nicht gerade in so einem Viertel, in dem die Mieten billig sind, es häufig die größten Grünflächen gibt und unterschiedlichste Nationalitäten auf engstem Raum zusammenleben, eine neue Kultur, eine bessere soziale Gesellschaft entwickelten? Es gibt gute und schlechte Beispiele dafür. In den westlichen Bundesländern gibt es diese Gebiete aus anderen historischen Hintergründen, doch die Situation ist überall ähnlich.

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Regisseur Bernhard Wutka, der jede Woche zwischen Leipzig und Hamburg unterwegs ist, kennt diese Thematik gut. Als das Bund-Länder-Förderprogramm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – Die soziale Stadt“ im Leipziger Raum dem Stadtteil Leipzig-Ost Fördergelder bewilligte, wurde er auf dieses Viertel aufmerksam. Zusammen mit dem Kameramann Thomas Doberitzsch machte er sich selbst ein Bild über diesen verrufenen Teil Leipzigs. Entstanden ist eine Sammlung von Bildern, Eindrücken und Lebensgeschichten, zwischen Vergangenheit und Gegenwart, die mit den Vorurteilen ein wenig aufräumen. Wutka malt das Bild eines städtischen Lebensraumes, in dem sich Menschen aus den unterschiedlichsten Motiven eingerichtet haben und die sich im Geiste der Philosophie des „Leben- und Lebenlassens“ miteinander nun arrangieren müssen: Da gibt es den Besitzer eines indischen Lokals, der im Dachgeschoss seines Hauses einen Sikh-Tempel eingerichtet hat. Da gibt es den Altmetallhändler, der sich wie ein „guter Hirte“ der versprengten Individuen annimmt, die mit Schrottsammeln ihr Leben fristen. Da gibt es den Physikprofessor aus München, der ein altes Haus gekauft und in ein Galerie-Hotel verwandelt hat, das Anziehungspunkt für Künstler aus ganz Deutschland geworden ist. Da gibt es eine orientalische Bar, in der die Luft von dem süßen Geruch der Wasserpfeifen und den leidenschaftlichen politischen Diskussionen der Exilanten erfüllt ist. Da gibt es den Chef eines winzigen Reisebüros, der mit Galgenhumor und sarkastischer Courage gegen seine ungünstige Geschäftsentwicklung ankämpft. Nicht zu vergessen: die Bürgerinitiativen und Vereine und die „ganz normalen“ Bewohner des Viertels, die sich gegen die Diskriminierung ihres Stadtteils verwehren. Bernhard Wutka und Thomas Doberitzsch urteilen nicht, sie beobachten nur. Nach dem 80minütigen Film kann der Zuschauer seine eigene Schlüsse ziehen, denn natürlich ist dieser nie zu Ende. Er wird sich sowohl in den Köpfen der Zuschauer als auch in der Realität auf eigene Art und Weise fortsetzen.

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